Begeben Sie sich auf Entdeckungstour in unserer Kirche

 
 
 

Kirchenführer

Der Kirchenführer gibt einen Einblick in die Evanglische Kirche Brettach. Er zeigt wie die Kirche entstanden ist und wie sie sich über die Jahre verändert hat. Manch versteckter Winkel wird ganz neu beleuchtet. So erzählt die Kirche nicht nur ihre eigene Geschichte, sonder auch von Gott, dem Herrn dieses Hauses.

 

Geschichte

Die Brettacher Kirche findet ihre erste Erwähnung 1264 mit einem Vikar; 1293 wird ein Pfarrer genannt. Noch erhaltene Architekturelemente deuten daraufhin, dass der älteste Bau spätestens im 10. Jh. errichtet wurde. Das Patrozinium der Heiligen Petrus und Paulus ist seit 1471 bezeugt; ein Nebenaltar war dem Heiligen Kreuz geweiht (1491). Die bestehende Kirche entstand zwischen 1514 und 1578. Das Patronatsrecht war zunächst als Würzburger Lehen im Besitz der Herren von Weinsberg (um 1335/37); bereits 1451 hatte den Kirchensatz der Deutschmeister. Die Frühmesse wurde 1523 von der Herrschaft Württemberg verliehen. Die Reformation fand in Brettach seit Mitte des 1530er Jahre auf Betreiben der Orts- und Landesherrschaft Eingang. Beschreibung Kirche in „Der Landkreis Heibronn“, Bd.2, S. 76, 2010.

  • addUrsprung des Dorfes

    Der Ort Brettach — erwähnt um 800 n. Chr. — ist wohl eine alemannische Siedlung, die in der Nähe des Alemannendorfes Odoldinga (Dorf der Sippe des Odilo) — erwähnt 797, Udilingon (976), Uothelingen (1100) — angelegt wurde. Brettach ist als Tochtersiedlung von Odoldinga anzusehen. Bekanntlich erhielten die von alemannischen Urdörfern bei zunehmender Bevölkerung angelegten Zweitsiedlungen sehr oft den Namen des Baches, an dem sie entstanden. So bedeutet der Name Brettach — alemannisch Breit-aha — breiter Bach oder breite Aue. Der Mutterort Odoldinga wurde wohl im Laufe der Zeit durch das sich vergrößernde Brettach aufgesogen. An ihn erinnert noch der Gemarkungsteil Wettlingen.

    Die Dorfbefestigung

    Der älteste Teil des Dorfes ist wohl zu sehen in dem Dreieck, das durch den Dorfgraben, die Hauptstraße und die Mühlgasse gebildet wird. Das „Haus an der Linde“, gegenüber der Kirche, steht an der Stelle des alten „Metzgerhofes“, der der Grundherrschaft Weinsberg gehörte und wahrscheinlich der alte Herrenhof war. In dem bezeichneten Dreieck stehen die Häuser am engsten geschachtelt, leere Zwischenräume, Gärten, fehlen. Die wichtigsten Gebäude befanden sich innerhalb dieses Raumes, in Nähe des Herrenhofes und der Kirche. Zwischen Mühlgasse und Kirchgasse standen Kelter, Mühle, Haus des Amtmanns, Pfarrhaus, Schule. Das alte Pfarrhaus stammte wohl aus dem 14. Jahrhundert, der erste Lehrer wird kurz nach der Reformation erwähnt. Er kam aus Sachsen. Aus dem alten Lageplan Brettachs (hergestellt durch das Vermessungsamt Neckarsulm) ist die dichtere Besiedlung des Ortes mit dem Dorfgraben erkennbar. Die ältesten Häuser jenseits stammen aus dem 17. Jahrhundert. Dorfgraben, Hauptstraße und Mühlgasse bzw. die Brettach bezeichnen auch den Verlauf der alten Befestigungslinie. Der Ort war ursprünglich mit Erdwall, Gräben, Schlagbäumen und Palisaden versehen. Später kamen das Obertor und das Untertor hinzu. Die Lage der Dorfbefestigung lässt sich heute noch an mehreren Stellen gut verfolgen. Die Hauptstraße lag einst tiefer und wurde später aufgefüllt. Der Dorfgraben besteht noch. An dem alten, oben erwähnten Teich, der vom Dorfgraben gespeist wurde, erinnern noch die dort befindlichen, tief gelegenen Gärten und der Gänseteich. Die südliche Befestigungslinie folgte dem Brettach-Bach. Im Westen schloss sie sich an den Wehrfriedhof an. Die Wehranlage muss wenigstens in einigen Teilen sehr lange bestanden haben. Noch unter dem 19. 8. 1689 wird im Sterberegister berichtet, dass es „am Schlagbaum“ zu einem Handgemenge zwischen hiesigen Bürgern unter Anführung des Schultheißen und 50—60 bayrischen Reitern kam, die von Heilbronn hergeritten waren in den Ort eindringen wollten. Bei diesem Zusammenstoß fanden zwei hiesige Bürger den Tod. Pfarrer von Jan meint in der „Chronik von Brettach“, wohl in Anlehnung an die Chronik des Schultheißen Häfelin (1854), Veranlassung zu solch einer Ortsbefestigung hätten die Einfälle der Ungarn gebildet. Befehl hiezu habe für jeden bedeutenden Ort König Heinrich von Sachsen, genannt der Vogler, gegeben. Demgegenüber kann man wohl auch darauf hinweisen, dass Brettach an der Grenze zwischen Weinsberg’schem und Hohenlohe’schem (Öhringen) Besitz lag, und es der Herrschaft angelegen war, die Grenzbesitzungen besonders verteidigungsfähig zu machen. 

  • addKirche und Friedhof

    Die Mutterkirche des unteren Brettachtales war Helmbund. Durch die Grundherrschaft der Grafen von Weinsberg, die fränkische Reichshofbeamte waren, wurde im 11. Jahrhundert die Kirche in Brettach erbaut, und zwar am Westrande des Dorfes auf einer ins Brettachtal vorspringenden Erhöhung. Es war die Zeit, wo die Kirchengründungen parallel mit den Klostergründungen sich mehrten. Bei der Renovierung der Kirche im Jahre 1955 wurden im unteren Teil der Südmauer des Schiffes, die schon zur alten Kirche gehörte, Reste der frühromanischen Fenster festgestellt. Der in Speicherhöhe des heutigen Westgiebels vermauerte romanische Fensterbogen stammt wohl aus der abgebrochenen Nordmauer der ursprünglichen Kirche. Der unveränderte Chorraum im unteren Teil des Turmes — wir haben also eine Chorturmkirche — besitzt noch ein tiefeingeschrägtes romanisches Fenster und den von Dehio hervorgehobenen frühromanischen Bogen. Gegen Ende des 10. Jahrhunderts begann auch der Burgenbau. So wurden Kirche und Friedhof als Wehranlage geschaffen. Der Turm war aus mächtigen Steinquadern bis zu einer Höhe vom 32 m und in einer Mauerstärke von 1,50 m aufgeführt. Seine Tiefe beträgt 7,54 m seine Breite 6,44 m. Er wirkte als Bergfried, gegen den das Kirchenschiff recht niedrig und klein war. Dieses war westlich und völlig lose an den Turm angesetzt in einer lichten Breite von 6,44 m, also genau in der Turmbreite, in einer Länge von 10,36 m und einer Mauerhöhe von 4,20 m. Der Friedhof war umgeben, von einer Mauer in der Stärke von 0,90 m. Diese Stärke fällt auf, wenn man bedenkt, dass die Stärke der Festungsmauer von Heilbronn nach einer französischen Stadtbeschreibung des 18. Jahrhunderts nur 0,70 m betrug. (Jahrbuch des Historischen Vereins Heilbronn, 1957.) Diese Mauer war von einem 10—12 m breiten Graben umfangen. Er berührte im Nordwesten einen Teich, der vom Dorfgraben gespeist wurde. Der Dorfgraben sowie Spuren dieses Teiches und des Grabens um die Kirchhofmauer sind noch vorhanden. Hingegen ist wohl nicht mehr festzustellen, wieviel Wahrheit an der alten Überlieferung ist, dass eine besondere Wegeverbindung zwischen Kirche und einer nicht weit westlich vom Ort auf einer Höhe gelegenen Burg bestanden habe. Nach der von Pfarrer von Jan in der „Chronik von Brettach“ festgehaltenen Überlieferung soll der letzte Besitzer dieser Burg mit mehreren anderen Rittern nach Preußen gezogen sein.

  • addDie Gaden

    Ein weiteres Kennzeichen unserer Kirche als Wehrkirche sind die 23 „Gaden“ oder „Gadamen“ oder „Hüttlin“, die eng die Kirche rings umgaben. Aus der Zahl der Hütten können wir schließen, dass Brettach um das Jahr 1000 etwa 23 Höfe besaß. Die Gaden sind bezeugt durch die Kirchenbauakten aus den Jahren 1572—1578. Nachdem der Oberamtmann von Weinsberg, Jakob von Massenbach, genannt Tolacker, und Jörg Renntz Brettach besucht haben, berichteten sie am 22. Oktober 1572 an den Herzog: „… dass ihr Kirchhof mit Gaden und Kornhüttlin ringsum vollbesetzt... Nebendem künden wir in Untertänigkeit auch mit Sorgen, dass die von Brettach zu derselben Commun gar ein rings unachtbares Kirchlein haben und das Pfarrvölklein nit wohl darein könnte, sondern ein guter Teil … heraussen stehen bleiben muß.“ Am 24. Mai 1574 stellt der Pfarrer dar, daß der Kirchenvorhof, da die Toten bestattet werden, von Häuslen und Gadamen ringsum eingenommen werden, „dannenher die Kirch aber allerengst wie... ein Kluft zuringsumher verfinstert, auch die Tür gar nieder ist und weder Sommer noch Winterszeiten von der Sonne ganz beschienen wird. Ist often als von mir und der Gemein, etlich wenig Inhabern der Kirchgadamen ausgenommen, verlangt, die Kirch und deren Vorhof zur Begräbnis möchte erweitert werden, und nämlich so man die alten Kirchgadamen (wie auch vor zwei Jahren in unserer Nachbarschaft zu Gochsen geschehen ist) abreisst und hinwegräumt, und darnach die eine Mauer der Kirche verrückt und weiter ausgeführt, würde der Kirchhof zum Begräbnis genugsam weit und die Kirch licht, hell und raumsam“. Daraufhin macht „der Oberamtmann zu Weinsberg und Hofmeister zu Lichtenstern“ samt dem Forstmeister zu Neuenstadt, auch „Meister Veltin, Steinmetz von Roigheim“ einen neuen Besuch wegen der Kirche und dem Kirchhof. Das Ergebnis dieses Besuchs wird in folgendem Schreiben an den Herzog zusammengefasst: „Das Kirchlein . ist bis an den Kirchturm und das Törlein zu bemeldt Kirchstätt nur 37 Schuh lang, 23 Schuh breit und an der Mauer 15 Schuh hoch … Der Pfarrer zeigt an, dass er bei den 600 Communanten zu versehen, welche bei weitem in diesem engen kleinen Kirchlein nit Platz noch weithin genug wär, denn die Erfahrung mitbringt, dass viele Männer, Weiber und Kinder Sommer und Winter gern außerhalb der Kirche bleiben. ,Sie befinden für gut' weil Brettach ein gross Dorf mit einer grossen Commun und aber ihr selbig Kirchlein viel zu klein, dass sie nachfolgengestalt zu erweitern, nämlich dass die am hinteren Giebel gegen den Neuen Kirchhof auf 26 Schuh verlängert und die eine Seiten an der Kirchmauer gegen die kleinen Häuslin und die Sakristei 19 Schuh hinausgerückt und die ganz Kirchmauer zu allen Teilen noch 6 oder 7 Schuh ... erhöht wird, möge alsdann das Pfarrvölklein weithin und Raum genug haben.“ Die 23 Häuslin, „die sowieso baufällig“ sind, sollen abgebrochen werden. Der Vorschlag des Oberamtmanns wurde 1578 ausgeführt, und die Kirche erhielt ihre heutige Gestalt. Die „Häuslin“ mussten zum Leidwesen ihrer Inhaber verschwinden. Anlässlich einer früheren Renovierung, wohl um 1514, wurde wohl das Südfenster des Chores gotisiert und das gotische Eingangsportal angebracht, das auch für das erweiterte Kirchenschiff verwendet wurde und heute noch besteht. Es trägt rechts einen Schlüssel, links das württembergische Wappen und in der Mitte die Jahreszahl 1514. Durch mehrere Erweiterungen, zuletzt 1840, hat der Friedhof seine heutige Form und Größe erhalten. Bei der letzten Vergrößerung wurde das am Eingang befindliche Torhäuschen mit Turm und gewölbtem Archivraum abgebrochen. Der obere Teil des „von lauter großen Quadern erbauten Kirchturms ist während des Läutens gegen die angeschienene Türkengefahr über ein Haufen gefallen“, am 12. September 1663, nachdem einige Zeit vorher der Blitz eingeschlagen hatte. „Der einstürzende Turm hat zwo große Glocken gefällt, die Uhr wie auch ein Stück von dem Langhaus, den Altar, die Richter- und etliche Weiberstühl, alles zerschlagen, die Kanzel auf eine Seite gedrückt.“ Die Reparaturkosten werden auf 3000,- Gulden geschätzt. Der Turm wurde bis zur halben Höhe abgebrochen und mit einem 20 m hohen Dach aus Hohlziegeln versehen. Nachdem die Unterhaltung dieses Daches immer wieder hohe Kosten verursacht und in der Nacht vom 20. Auf den 21. Juni 1803 ein abermaliger Blitzschlag „das mit Ziegel gedeckte Dach zerschmettert hatte“, wurde ein 12 Schuh hohes Mauerwerk auf den alten Turm gesetzt und ein 58 Schuh hohes Schieferdach aufgesetzt für 725 Gulden - durch den Schieferdecker Wanner aus Öhringen in Gemeinschaft mit dem Hofschieferdecker Baumkauf aus Stuttgart. Damit hatte der Turm seine heutige Gestalt erhalten. Nur in seinem unteren Teil gibt er noch Zeugnis von seiner ursprünglichen Mächtigkeit, in der er 700 Jahre über die Dächer emporgeragt hat.

  • addKirche von innen

    Geschichtlich interessant ist in Brettach nicht nur durch ihren ursprünglichen Wehrcharakter und ihren frühromanischen Chor, sondern auch durch die Wandgemälde aus dem 16. Jahrhundert, also aus der Zeit kurz nach Einführung der Reformation. Sie gehören zu den ältesten evangelischen Wandmalereien unseres Landes. Anlässlich der Renovierung der Kirche im Jahre 1955 unter dem Architekten Prof. Hannes Mayer, Stuttgart, freigelegt, stellen sie an der Nordwand Martin Luther mit einer Gans, den Täufer und die 4 Evangelisten dar. An der West- und Südwand fanden sich nur noch Spuren der Aposteldarstellungen. Über dem Chorbogen konnte man Hl das Bild Christi erkennen, sitzend im roten Richtergewand, darunter geschrieben: Salvator Mundi. Leider erlaubten die spärlichen Reste nicht, die Malereien wieder ganz herzustellen. Fresken konnten an den Chorwänden nicht mehr gefunden werden, da durch den Einsturz des Turmes im Jahre 1663 die Innenwände des Chores zerstört und neu gerichtet werden mussten. Nur vier alte Weihekreuze, die sich in der unteren Hälfte der Chorwände befinden, konnten vollständig unversehrt freigelegt werden. Eine Merkwürdigkeit ist, dass die Gestalten des Täufers, der Evangelisten und Martin Luthers in einer zweiten Darstellung übermalt wurden. Dies ist wohl so zu erklären, dass diese Bilder zugestrichen werden mussten während der kurzen Periode, in der nach der Schlacht bei Nördlingen 1634 der katholische Einfluss wieder vorwiegend war. Gerade in jenem Jahr fiel ein kaiserliches Regiment in den Ort ein und „hat sehr übel gehauset“. Die Kirche wurde ausgeraubt, der Pfarrer musste in Neuenstadt Zuflucht nehmen. Als im Jahre 1681 die Kirche innen erneuert und reichlich bemalt wurde, hat man auch die Gestalten des Täufers, der Evangelisten und Luthers wieder dargestellt. Die Renovierung von 1955 stellte den frühromanischen Charakter des Chorraumes und den Renaissancecharakter des 1578 erweiterten Schiffes wieder her. Die ursprüngliche Farbgebung wurde von den verschiedenen Übertünchungen befreit. Dabei ergab sich, dass die Bilder an der Vorderwand der Empore, die verschiedene biblische Geschichten von der Opferung Isaaks bis zu der Herabkunft des Neuen Jerusalems darstellen, im Jahre 1681 von Hans Veit Becker in Heilbronn gemalt wurden. Die Kanzel, die an der Südwand ins Schiff vorgerückt war, wurde als Ambo an die Chorwand zurückgenommen, so dass alle Gottesdienstbesucher während der Predigt auf sie blicken können. Der Taufstein fand, von allem Stuck gereinigt, seine Aufstellung in dem erhöhten Altarraum auf der Nordseite des Altars. So ist der Zusammenhang von Wort und Sakrament sichtbar zum Ausdruck gebracht. Durch die Entfernung der im Mittelgang stehenden zwei Säulen und des in den Chor vorragenden Emporenteils an der Ostwand des Schiffes, wurden Blick und Weg zu Altar und Chor frei. So verkündigt der Raum, dass der Christ aus der Todeswelt kommt und durch Opfer und Wandlung, auf die der Altar mit dem Kreuz hinweist, zum Leben geht, für das das im Osten aufgehende Licht Gleichnis ist. Das von Saile, Stuttgart, geschaffene Chorfenster zeigt in seinem obersten Drittel Christus als den Herrn des Kosmos, in den beiden anderen Petrus und Paulus, denen die Kirche jedenfalls später geweiht war. Das Gedächtnismal für die Gefallenen und Vermissten des Krieges 1939—1945 stammt von Helmut Uhrig. Möge die Kirche auch in ihrer heutigen Form die Gemeinde hinweisen auf den Gott, der allein „gute Wehr und Waffen ist“! Text von Pfr. Artur Georg Klein, Brettach, 1959.

  • addÄltestes "Luther mit Schwan" Wandfresko

    Der Brettacher "Luther mit Schwan" wurde vermutlich im Jahr 1591 von David Ebermann aus Neuenstadt gemalt. Damit wäre dieses Bild das älteste Luther-Fresko, das ihn mit dem Schwan zeigt, In Braunschweig gibt es ein ähnliches Bild, das jedoch erst 1597 entstnaden ist.

    Das Bildmotiv führt den Betrachter zurück in die Reformationszeit und darüber hinaus in das Zeitalter der spätmittelalterlichen Kirchenreform. Der Reformator selbst hatte die Anregung dazu gegeben, ihn im Medium Bild mit einem Schwan darzustellen. Denn Luther bezeichnete sich als Schwan, indem er Bezug nahm auf eine Prophezeiung, die der böhmische Reformator Jan Hus (ca. 1370–1415) zu Beginn seiner Gefangenschaft in Konstanz (Ende 1414) getätigt haben soll. 1531 schrieb Luther: „Sankt Johannes Hus hat von mir geweissagt, da er aus dem Gefängnis in Böhmerland schrieb: ‚Sie werden jetzt eine Gans braten (denn Hus heißt eine Gans). Aber über [= nach] hundert Jahren werden sie einen Schwan singen hören. Den sollen sie leiden. Da soll’s auch bei bleiben, ob Gott will.‘“ Wichtige Impulse für die Begründung und die Verbreitung der Luther-Schwan-Bildtradition hat gewiss das Luther-Gedenken gegeben, das sich rasch nach des Reformators Tod entwickelte. Der Hamburger Reformator Johannes Bugenhagen griff in der Predigt, die er in Wittenberg zum Begräbnis Luthers hielt, eben dieses Motiv auf. Bugenhagens Christliche Predigt über der Leiche und Begräbnis des ehrwürdigen Doktors Martin Luther wurde 1546 erstmals gedruckt und fand durch eine wahre Flut von Neuauflagen äußerst weite Verbreitung. Bugenhagens ‚Leichenpredigt‘ dürfte so entscheidend zur Entwicklung des Luther-Schwan-Bildtypus beigetragen haben. Bugenhagen stellt Luther in eine Traditionslinie mit Johann Hus, indem er sagt: „Aber ach, wie laufe ich so weit mit meiner Rede in diesem unserem Weinen und Betrübnis. Dies sei genug von unserem billigen [= rechtmäßigen] Trauern geredet. Denn wir trauern je billig, dass ein solcher teurer Mann, rechter Bischof und Seelenhirte von uns geschieden. Aber in diesem Betrübnis sollen wir auch billig erkennen Gottes Güte und Barmherzigkeit gegen uns und Gott danken, dass er hundert Jahre nach dem Tod des heiligen Johannes Hus (welcher um der Wahrheit willen getötet worden ist im Jahre 1415) bald uns erweckt hat durch seinen Geist diesen teuren Doktor Martin Luther [...], wie denn Johannes Huss von einem künftigen Schwan selbst prophezeit hat vor seinem Tod. Denn Hus heißt auf Böhmisch eine Gans. Ihr bratet (sagte Hus) jetzt eine Gans. Gott wird aber einen Schwan erwecken, den werdet ihr nicht (ver)brennen noch braten. Und da sie gegen ihn viel schrien [...], soll er gesagt haben: Nach hundert Jahren will ich euch antworten. Das hat er redlich getan durch unseren lieben Vater Doktor Luther [...].“ Text von Johann Anselm Steiger

  • addReformation - wie Brettach evangelisch wurde

    Die Reformation geschah nicht von einem Tag auf den anderen, sondern war ein langwieriger Prozess in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Persönliche, politische und kirchenpolitische Dinge spielten eine Rolle.

    Aber was heißt "evangelisch"?

    Das Herzstück des neuen Glaubens war die Predigt in deutscher Sprache, die einen Abschnitt aus der Bibel ausgelegt wurde. Die Empfehlung war, sonntags nicht eine Stunde und werktags nicht eine halbe Stunde zu überschreiten.  Am 16. Mai 1534 wurde in der Stuttgarter Stiftskirche durch den hessischen Hofprediger Konrad Oettinger der erste öffentliche evangelische Gottesdienst gehalten. Anstelle der lateinischen Messe wurde aber nicht die von Luther favorisierte Deutsche Messe, sondern ein schlichter Predigtgottesdienst gehalten, wie sie die "oberdeutschen" Kirchen pflegten. Der Gemeindegesang wurde selbstverständlicher Bestandteil des Gemeinschaftserlebens. Das Abendmahl wurde nur noch an wenigen Sonntagen im Jahr gefeiert.
    Statt der sieben Sakramente, wie sie in der katholischen Kirche üblich waren, gab es nur noch das Abendmahl und die Taufe, weil nur sie von "Jesus geboten waren". Das Abendmahl wurde in "beiderlei Gestalt" als Brot und Wein an alle Gläubigen verteilt.
    Die Priester konnten heiraten. Das evangelische Pfarrhaus wurde begründet. Die Klöster und das Zölibat wurden abgeschafft. Die neue Pfarrergeneration bekam eine solide, theologische Ausbildung.
    Um die Reformation vor Ort durchzusetzen, wurden die Priester befragt, ob sie bereit und fähig sind, die neue Ordnung umzusetzen. Ansonsten mussten sie auswandern oder wurden mit einer Pension abgefunden.

    Viele mischen mit

    Der zuständige Bischof für Brettach wohnte in Würzburg (Bistum Würzburg). Er war für die geistliche Ausrichtung zuständig. Die nächste untere kirchliche Verwaltungsebene waren die Archidiakonate. In Weinsberg war eines dieser Archidiakonate, die für die Verwaltung der umliegenden Gemeinden zuständig war. Die Pfarrei Brettach gehörte bis 1450 auch dazu.
    Pfarreien waren wirtschaftliche Einheiten mit Immobilien (Kirche, Pfarrhaus, sonstige Schenkungen), landwirtschaftliche Gütern und Wäldern sowie Einkünfte durch den Kleinen Zehnten und die Armenstiftung. Dieses Eigentum sollte helfen, die Pfarrstelle und Kirche zu unterhalten.
    In der Regel waren die zuständigen Landesherren (z.B. die Herren von Weinsberg) auch für die Wirtschaftsbelange der Kirchengemeinden zuständig. Sie hatten das sogenannte Patronatsrecht inne. Der Patron musste für die Kirchengemeinde sorgen, hatte ein Vorschlagsrecht für die Stellenbesetzung und konnte aber auch die Überschüsse einkassieren.
    Der Ort Brettach selber gehörte bis 1450 auch den Herren von Weinsberg.

    Die Herren von Weinsberg waren 1450 pleite und mussten ihren Besitz verkaufen, um ihre Schulden zu begleichen. Sie verkauften ihren Besitz und damit auch unseren Ort Brettach an den Pfalzgrafen Friedrich. Der Ort Brettach wurde also pfälzisch. Kirchlich gesehen lag das Patronatsrecht aber bei dem Kaplan von Scheuerberg. Er hatte das Patronatsrecht als Lehen von den Herren von Weinsberg bekommen.

    1483/4 gab es einen Gebietstausch. Der Pfalzgraf tauschte mit dem Deutschen Orden Gebiete aus. So bekam der Deutsche Orden Neckarsulm und Scheuerberg. Ab 1484 erhielt der Deutsche Orden somit auch das Patronatsrecht für die Pfarrei Brettach, das verwaltungsmäßig vom Amt Neckarsulm wahrgenommen wurde. Der Deutsche Orden war ein großes Unternehmen, das sich über das ganze Gebiet des heutigen Deutschlands ausbreitete. An der Spitze stand der Deutschmeister (oder Hochmeister). Er residierte u.a. auf der Burg Hornberg. Die nächste Verwaltungsebene waren die Balleien (Franken), dann die Komturen (Heilbronn), dann die Ämter (Neckarsulm).  1504 eroberte der württembergische Herzog Ulrich unsere Gegend mit Neuenstadt und Weinsberg. Kirchlich gesehen blieb aber der Deutsche Orden weiterhin der zuständige Patronatsherr für Brettach.
    Im Jahr 1520 verlor Herzog Ulrich von Württemberg sein Herzogtum. Er musste ins Ausland fliehen. Die neuen Herren waren nun die habsburgischen Österreicher. Brettach gehörte für die nächsten 14 Jahre zu Vorderösterreich, wobei das Patronatsrecht beim Deutschen Orden verblieb.

    In den deutschen Ländern rumorte es durch die Wittenberger Reformation heftig. Einige Studenten aus der Umgebung wie Heilbronn oder Ilsfeld waren von den Neuerungen erfasst. Auch von dem späteren Brettacher Pfarrer Hippolyt Binder weiß man, dass er schon 1522 (also ein Jahr, nachdem Luther sich vor dem Reichstag in Worms rechtfertigen musste) bei Luther studierte!
    Aber die katholische Herrschaft der Habsburger erließ eine strenge Verordnung, dass die Kirche und das Land katholisch bleiben müssen.

    Ab wann ist man evangelisch?

    Bald zeigte es sich, dass man überzeugende Ideen und Bewegungen nicht per Erlass aufhalten kann. Vor allem in den Städten fassten die reformatorischen Ideen Fuß. In Weinsberg predigte Schnepf schon 1520 "evangelisch". In der von Vorderösterreich unabhängigen Reichsstadt Heilbronn predigte Lachenmann evangelisch. Viele Jahre konnten die Heilbronner sich aussuchen, ob sie die katholische Messe oder einen evangelischen Gottesdienst besuchen wollten. 1530 beschlossen der Rat und die Bürgerschaft Heilbronn, der Augsburgischen Konfession beizutreten, so dass nun die Stadt offiziell evangelisch war.

    Die Komturei des Deutschen Ordens in Heilbronn mit den Amtssitz Neckarsulm, die für Brettach zuständig war, blieb aber weiterhin katholisch.
    In den Jahren 1521-1532 leitete der Deutschordensritter Eberhard von Ehingen der zuständige Komtur in Heilbronn. Er gehörte zum schwäbischen Uradel (Ehingen bei Rottenburg).

    In Brettach war der katholische Priester Hans Freund aus Dörrenzimmern tätig. Er beendete seine Zeit 1532. Der Patronatsherr in Gestalt des Deutschen Ordens, Amt Neckarsulm, suchte einen neuen Priester und fand ihn in Hippolyt Binder. Er kam 1532 nach Brettach. Im "Pfarrerbuch Herzogtum Württemberg" findet sich folgender Eintrag: Hippolyt Binder stammte aus Brackenheim. 1522 war er als Student in Wittenberg und kannte damit Luther persönlich. Sieben Jahre später, 1529, war er in Heidelberg. Heidelberg war zu jener Zeit noch nicht evangelisch. In Heidelberg wurde die erste evangelische Predigt erst 1546 gehalten!
    1532 war Brettach noch katholisch. Es ist also davon auszugehen, dass Hippolyt Binder sich (vielleicht in Heidelberg) zum katholischen Priester weihen ließ und als solcher auch nach Brettach kam. Die Reformation und auch Martin Luther hatten ihn - wie viele andere auch - nicht beeindruckt! Im Gegenteil. Sonst hätte er sich als evangelischer Pfarrer in einer der schon evangelischen Städte beworben und nicht im katholischen Bereich des Deutschen Ordens. Auch konnte er keinen Empfehlungsbrief der Wittenberger vorweisen.
    Als Herzog Ulrich 1534 Württemberg zurückeroberte, wurde Brettach zwar württembergisch, aber die Kirchengemeinde blieb in katholischer Obhut, weil der Deutsche Orden als Patronatsherr zuständig war.

    Kirchenverbesserung

    Statt von Reformation sprach man in jenen Jahrzehnten bei den Evangelischen lieber von "Kirchenverbesserung". Reformation klang in den damaligen Ohren nach Revolution, nach einem Umsturz der Verhältnisse. Das war nicht die Absicht. Und doch war 1534 ein Wendejahr für Württemberg.
    Herzog Ulrich führte ab diesem Jahr schrittweise eine "Reformation von oben", d.h. durch die Herrschaft initiiert, durch. Diese Reformierung geschah in mehreren Schritten:
    1. Die Pfarrer wurden in die zuständige Amtsstadt befohlen und mussten eine Art Examen ablegen. Das Verhör wurde durch einen Theologen und herzoglichen Beamten durchgeführt. Das Ergebnis in Württemberg war ernüchternd. Von den 1200 katholischen Priestern gaben sich nur rund ein Drittel als Anhänger der Lehre der Reformation zu erkennen! Diejenigen, die sie ablehnten, durften gehen.
    2. Die kirchlichen Güter wurden aufgelistet. Was für die Zukunft nicht mehr gebraucht wurde, kam der neuen Ordnung zugute (z.B. Schulen).
    3. Mit kontinuierlichen Visitationen wurden die Pfarrer und Gemeinden überprüft.

    1535 wurde in Württemberg die Messe abgeschafft, ebenso viele Feiertage und Wallfahrten. Da für Brettach ein katholischer Patronatsherr zuständig war, gab es noch keine Examinierungen und Visitationen. Auch die Messe wurde weiterhin in lateinischer Sprache gelesen.
    1536 wurde eine neue Kirchenordnung durch die württembergische Regierung eingeführt, in der z.B. der Besuch des Gottesdienstes vorgeschrieben wurde.
    Landesweit wurden Latein- und Volksschulen eingeführt, weil mangelnde Bildung als eine Ursache gesehen wurde, dass die alte Kirche sich so negativ entwickeln konnte.
    Mit dem Weggang von Hippolyt Binder im Jahr 1542 ergab sich eine neue Situation für Brettach. In den umliegenden Gemeinden hatte sich die "Kirchenverbesserung" gefestigt und herumgesprochen. Aus den Gemeinden heraus gab es sicherlich einen gewissen Druck.
    Auch der Deutsche Orden stand unter Druck. Er konnte seine Ansprüche nicht mehr befriedigend durchsetzen.

    Ich denke, dass mit Unterstützung der Dekanatsstadt Weinsberg die neuen Möglichkeiten einfach aufgegriffen wurden und letztlich der katholische Patronatsherr vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Pfarrer Klein bezeichnete deshalb den neuen Pfarrer von Brettach Thomas Bauer, der 1542 in Brettach Pfarrer wurde, zurecht als ersten evangelischen Pfarrer in unserem Ort. Thomas Bauer blieb nur drei Jahre. Erst der nächste Pfarrer Joachim Stahl (1545-1556) erlebte den formalen Abschluss der Reformation.

    Im Heidelberger Vertrag vom 25.3.1553 ging das Patronatsrecht vom Deutschen Orden auf die württembergische Regierung über. Der Prozess der Kirchenverbesserung dauerte in unserem Gebiet also 19 Jahre.
    Noch 1583 wird von der Verpflichtung des Deutschen Ordens (Neckarsulm) berichtet, zum Unterhalt des Pfarrhauses einen jährlichen Beitrag von 20 Gulden zu leisten. Offensichtlich blieb das Pfarrhaus als Immobilie weiterhin im Besitz des Deutschen Ordens.

    Noch eine württembergische Besonderheit:
    Der Herzog (später der jeweilige König von Württemberg) war gleichzeitig Oberhaupt der Landeskirche als so genannter summus episcopus, d.h. der jeweilige Herrscher vereinigte die weltliche und die kirchliche Macht.

    Pfarrer i.R. Günther Kempka, Brettach

     

 

Pfarrer Julius von Jan

Julius von Jan, der von 1928 bis 1935 Pfarrer in Brettach war, erhielt 2018 einen außergewöhnlichen Ehrentitel: "Gerechter unter den Völkern". Damit zeichnet die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad-Vashem Nichtjuden aus, die sich in der NS-Zeit für verfolgte Juden eingesetzt haben.

1934 war der sogenannte Kirchenkampf in vollem Gang. Der nationalsozialistische Staat wollte die Kirchen gleichschalten. Pfarrer von Jan und Teile der Kirchengemeinde in Brettach schlossen sich der Bekenntnisbewegung an: "Wir bleiben um Gottes und des Gewissens willen der rechtmäßigen evangelischen Kirche unter der Führung von Landesbischof D.Wurm treu. Im Gehorsam gegen das Wort Gottes halten wir daran fest, dass geistliche Dinge geistlich entschieden werden müssen. Wir sind überzeugt, dass wir gerade auf diesem Weg unserem Volk und dem Staat Adolf Hitlers am besten dienen." (aus dem Pfarramtsarchiv Brettach 1934)

Am 25. November 1938, kurz nach seiner bekannten Bußtagspredigt in Oberlenningen, wurde Julius von Jan von Schlägertrupps aus Nürtingen misshandelt, angepöbelt und abgeführt. Daraufhin wird er aus Württemberg ausgewiesen und zu Haft verurteilt.